Pogromgedenken: ERINNERN. GEDENKEN. MITGEHEN.
Gedenkweg der Kirchen am 9. November 2023, 16.00 Uhr
Vom Winterfeldtplatz zum Jüdischen Gemeindehaus Fasanenstraße
Gebet anlässlich des Gedenkweges der christlichen Kirchen zum 85. Jahrestag der Novemberpogrome
Msgr. Dr. Hansjörg Günther, Vorsitzender ÖRBB
Wir erinnern uns heute daran, dass vor 85 Jahren, im Jahr 1938, in der Nacht vom 9. auf den 10. November im ganzen Land Synagogen zerstört und jüdische Friedhöfe geschändet wurden.
Jüdische Einrichtungen und Geschäfte wurden überfallen, Scheiben eingeschlagen, Gebäude in Brand gesetzt. Jüdinnen und Juden wurden inhaftiert und in Konzentrationslager gebracht.
Wir gedenken heute aller Jüdinnen und Juden, der Getöteten und der an Leib und Seele Verletzten.
Wir spüren immer noch die Last. Schuld und Scham unserer Vorfahren. Wir verneigen uns vor den Opfern. Und wir erheben uns gegen alle Menschenverächter.
Gegen alle, die Menschen verletzen, weil sie anders denken oder anders glauben als sie selbst.
Wir erinnern, wir gedenken, wir wollen wachsam sein. Und wir gehen mit: Vorbei an den Geschäften der Familien Alpern, Grünfeld, Jacobus, Zerkowski und vieler anderer hier in den Straßen Berlins.
Ihre Läden existieren nicht mehr, wurden Opfer dieser fanatischen Nacht. Wir sind ärmer geworden ohne sie. Und wir trauern um die jüdischen Familien, die wir verloren haben.
Lasst uns beten!
Gott, wir denken an die Überlebenden. Jüdinnen und Juden, verstreut in der Welt und hier in Deutschland. Verletzt an Leib und Seele. Die ihre Angehörigen verloren, ihre Freunde, ihre Heimat. Von Albträumen geplagt, bis heute. Heile sie.
Gott, wir denken an die Kinder und Enkelkinder der Überlebenden. Die die Albträume ihrer Vorfahren träumen, die sich wieder heimatlos fühlen in diesem Land, durch Antisemitismen angegriffen – immer noch und wieder. In Angst vor neuer Verfolgung. Tröste sie.
Gott, wir denken an die Menschen in Israel, die Opfer des Terrors der Hamas geworden sind. Gejagt, ermordet und verschleppt. In ihrer Existenz bedroht. Befreie sie.
Gott, wir denken an die Verblendeten bei uns. Die mit engem Herzen und ohne Verstand Menschen das Leben schwermachen. Die nicht ertragen können, dass andere anders glauben und anders leben als sie selbst. Verändere sie.
Gott, wir denken an die Menschen, die sich für Toleranz einsetzen. Die helfen und nicht wegschauen. Die ihre Stimme erheben, wo Menschen erniedrigt werden. Die sich freuen über neues jüdisches Leben bei uns. Stärke sie.
Aus der Pressemitteilung von EKBO und Erzbistum:
Mit den Ausschreitungen vom 9. November 1938 offenbarten die nationalsozialistischen Machthaber ihren Antisemitismus in vollem Ausmaß. Jüdische Einrichtungen, Geschäfte und Synagogen wurden zerstört und Juden und Jüdinnen wurden im ganzen Deutschen Reich verhaftet, misshandelt und ermordet. An den Gräueltaten des nationalsozialistischen Regimes beteiligten sich weite Kreise der Bevölkerung und kaum jemand erhob seine Stimme dagegen.
Anlässlich des 85. Jahrestags der Novemberpogrome laden die Kirchen für den 9. November 2023, 16.00 Uhr, zu einem stillen Gedenkweg ein. Der Weg führt vom Winterfeldtplatz über Nollendorf- und Wittenbergplatz, Tauentzien- und Kurfürstenstraße zum Jüdischen Gemeindehaus in der Fasanenstraße, durch Straßen, in denen sich früher mehr als einhundert jüdische Geschäfte befanden. Ein Halt des Gedenkwegs wird am Joachimsthaler Platz sein, der am 8. November 2023 in Grünfeld-Ecke umbenannt wird. Damit wird eine bedeutende jüdische Händlerfamilie gewürdigt, die an der Kreuzung zum Kurfürstendamm ein legendäres Geschäftshaus führte. Rund um die Tauentzienstraße und den Kurfürstendamm hatte der Mob damals besonders stark gewütet.
Der Gedenkweg wird vor diesem Hintergrund vom Ökumenischen Rat Berlin-Brandenburg, der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und dem Erzbistum Berlin gemeinsam mit dem Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. (HBB) veranstaltet. 85 Jahre nach der Reichspogromnacht laden sie die Menschen in Berlin ein, schweigend an die Untaten zu erinnern, der Opfer zu gedenken und sich der Verantwortung zu stellen, die aus der Geschichte erwächst.
Fotos: S. Philipps
Download der Postkarte mit Stadtplanausschnitt:
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